Marketing ACROSS-Interview

DER KUNDE IST DER VERKÄUFER

In der Marketinglandschaft vollziehen sich große Veränderungen. Anita Stampfl ist Special Projects Manager bei der HBB. Als Expertin vor Ort teilt sie ihre Ansichten und Erfahrungen mit den neuesten Marketingtechniken, Budgets und effizienten Marketingmaßnahmen.

Durch die Pandemie und die sozialen Medien sind die Kunden zum Verkäufer geworden. Der traditionelle Rahmen funktioniert nicht mehr auf dieselbe Weise. Die Kunden fühlen sich wohler, wenn sie von einer vertrauten Quelle kaufen. Die Digitalisierung ist der Schlüssel – sowohl für B2B als auch für B2C. Außerdem ist die Kundenbindung ein wesentlicher Marketingschwerpunkt, insbesondere segmentierte E-Mail-Kampagnen. Die Nutzung von Social-Media-Kanälen für Nachrichten, Werbung und Influencer mit Bezug zu Ihrer Zielgruppe ist heutzutage ein Muss. Andererseits sind Veranstaltungen mit semiprominenter oder „Möchtegern-Prominenz“ zurückgegangen. Auch die Außenwerbung ist gezielter und spezifischer geworden.

Es ist bekannt, dass die Marketingaktivitäten variieren. Allerdings hängt dies vom jeweiligen Land und natürlich von seiner Größe ab. Wir sehen, dass große Center viel mehr Geld für Werbung und große Kampagnen ausgeben. Aber auch in Fällen wie der HBB-Initiative „Wärmende Jacken für Bedürftige“ haben wir gesehen, dass die Center viel kreativer werden und sich nicht mit dem Standardprogramm zufriedengeben. Die mittleren und kleinen Einkaufszentren mussten schon immer kreativer sein, und das wird jetzt immer deutlicher. Ich glaube, dass wir diesen Trend zunehmend sehen werden! Eine weitere Herausforderung ist, dass die Marketingbudgets immer schmaler werden. Es muss also viel mehr darüber nachgedacht werden, wie man mit weniger Geld umgeht. Es geht um Einfallsreichtum und Kreativität, um eine größere Wirkung zu erzielen.

Auch in Anbetracht, dass der „Löwenanteil“ der Marketingbudgets hauptsächlich von den Mietern bezahlt wird, wollen sie, dass ihr Geld sinnvoll ausgegeben und ein ROI erzielt wird.

ACROSS: ALS JURYMITGLIED DER SOLAL AWARDS HATTEN SIE WÄHREND DER PANDEMIE EINEN GUTEN BLICK AUF DIE MARKETINGMASSNAHMEN: WAS HABEN SIE FÜR ERFAHRUNGEN GEMACHT, WAS IST DER UNTERSCHIED WÄHREND UND NACH KRISENZEITEN?

ANITA STAMPFL: Während einer Krise ist man buchstäblich im Überlebensmodus – man überlegt, wie man die Kunden dazu bringen kann, die wenigen verbliebenen Geschäfte, die während der Schließung geöffnet sein durften, zu besuchen. Weder die Verweildauer noch ein tolles Einkaufserlebnis stehen zu diesem Zeitpunkt im Fokus. Der Schwerpunkt liegt auf der Sicherheit der Kunden und ein Angebot von Dienstleistungen anzubieten, die sie benötigen, während sie sich weiterhin mit Ihrem Einkaufszentrum beschäftigen. Soziale Medien, sowie Newsletter sind wichtige Quellen, um das Engagement hoch zu halten. In der Zeit nach der Krise wollen Sie die Kunden zurück ins Center holen. Sie müssen sinnvolle Kampagnen entwickeln, die sie sicher in das Center zurückbringen. Allerdings sind wir damit noch nicht so weit, denn die Krise ist noch nicht ausgestanden.

Die Menschen wollen auch sehen, dass sie sozial engagiert sind, vor allem, wenn der Krieg noch andauert. Meiner Meinung nach gibt es also noch keinen wirklichen Unterschied, da noch zu viele Dinge passieren.

ACROSS: WELCHE MARKETINGINSTRUMENTE SIND AM EFFIZIENTESTEN FÜR DIE INTERNE UND EXTERNE KOMMUNIKATION IN KRISENZEITEN?

STAMPFL: Ganz sicher soziale Medien und Websites.

Und wenn das Center eine gut etablierte App hat, dann auch diese. Und im Falle einer großen Kampagne – die Mainstream-Presse.

ACROSS: WELCHE NEUEN MARKETINGMETHODEN HABEN SIE GESEHEN, ALS SIE SICH DIE EINREICHUNGEN DER SOLAL AWARDS ANGESCHAUT HABEN?

STAMPFL: Ich habe gesehen, dass Kunst durch Kooperationen mit Museen oder Opernhäusern präsentiert und diese Initiative für Kampagnen genutzt wird. Für mich ist das eine großartige Methode, wenn Interaktion oder Veranstaltungen praktisch nicht möglich sind. Hinzu kommt, dass die Nutzung von Gemeinschaftsräumen für soziale Aktivitäten ebenfalls sehr wichtig geworden ist. Webbasierte Lösungen sind wieder in den Vordergrund gerückt.

ACROSS: WELCHE STRATEGISCHEN VERÄNDERUNGEN HABEN STATTGEFUNDEN?

STAMPFL: Ich glaube, das „S“ in ESG hat zunehmend an Bedeutung gewonnen. Soziales Engagement, soziales Bewusstsein und Rücksichtnahme sowie die Nutzung von Gemeinschaftsräumen für kommunale oder Non-Profit-Organisationen sind zu Instrumenten des Engagements geworden.

ACROSS: WELCHE INNOVATIVEN ANSÄTZE HABEN SIE GESEHEN?

STAMPFL: Lieferdienste, nicht nur für ein Geschäft, sondern um verschiedene Geschäfte oder Restaurants zu bündeln und Lieferdienste für den Kunden anzubieten. Blitzverkäufe – ein Anbieter, der nur für eine begrenzte Zeit einen Artikel zu einem reduzierten Preis auf einer neu eingerichteten Website anbietet. Der Kunde kauft den Artikel online und holt ihn dann im Center ab. Webportale für alle stationären Einzelhändler: Für kleine und mittelständische Einzelhändler gibt die Online-Präsenz die Chance, sich gegen große Flagship-Stores durchzusetzen und sie bieten lokalen Einzelhändlern eine Online-Sichtbarkeit.

HBB-INITIATIVE: „WÄRMENDE JACKEN FÜR BEDÜRFTIGE“

Die HBB setzt auf eine enge Kooperation mit Städten und Gemeinden rund um ihr Center in ihren Marketingbemühungen. Als Beispiel das Forum Hanau (Deutschland): Gemeinsam mit der Stadt Hanau, ihrem Oberbürgermeister und dem Stadtmarketing, der Organisation „Stadtretter“ sowie anderen lokalen Organisationen wurde zusammengearbeitet, um Obdachlosen und Menschen in Not einen „Platz der Warmherzigkeit“ außerhalb des Forums in einem Innenraum zu schaffen. Dieser Platz ist zu einer Sammelstelle für warme Jacken geworden. Das Motto lautete: „Nimm eine Jacke mit, wenn dir kalt ist. Hänge eine Jacke auf, wenn du helfen willst.“ Dies geschah während des gesamten Monats Februar 2022. Die Kampagne war sehr erfolgreich: Ein Einzelhändler verschenkte 50 Jacken. Viele Einwohner haben ihre Schränke durchforstet, um ungenutzte Jacken zu finden, die sie dann bei der Kampagne aufhängen konnten.