German Council Interview mit Harald Ortner

Vielen Dank, Hanau!

Der offene Brief vom Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky an die Ministerin Geywitz führt zu der Frage, wie effektiv die Förderungsprogramme des Bundes sind. GCSP-Vorstand Harald Ortner war auf dem Innenstadtkongress in Potsdam und hat als Diskutant und Teilnehmer die aktuelle Stimmung bei den Kommunen und die Kritik wahrgenommen. Wir haben ihn dazu gefragt.

Seit gut einem halben Jahr regiert die Ampel-Regierung in Berlin und erstmals gibt es mit Klara Geywitz wieder eine Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen. Zum einen erfreut das die Immobilienwirtschaft, zum anderen spricht der offene Brief an Klara Geywitz vom Hanauer Oberbürgermeister deutlich kritische Worte. Wie beurteilen Sie die Situation?

Die Ministerin hat in Reaktion auf das Schreiben in ihrer Eröffnungsrede zum Kongress klargestellt, dass die Fördersumme von der früheren Regierung zwar verfünffacht wurde, das zur Bearbeitung
der Förderanträge erforderliche Personal aber leider nicht eingestellt wurde. Sie versprach den Kommunen, in dieser Sache schnell für Abhilfe zu sorgen.

Ist danach der Weg zur Förderung für die Städte schnell erreichbar?

Das ist er leider nicht, da die Anträge so komplex aufgebaut sind, dass die meisten
Klein- und Mittelstädte nicht über das Personal mit der Sachkunde verfügen, um
überhaupt beantragen zu können. Dies führt dann dazu, dass vielmehr die Großstädte mit ausreichendem Fachpersonal, die das Geld eigentlich gar nicht brauchen oder weniger brauchen als die eben genannten, Anträge stellen und dann, wenn aufgestockt ist, auch Geld bekommen.

Ist den Klein- und Mittelstädten denn geholfen, wenn die Anträge vereinfacht werden?

Bedauerlicherweise nicht, da vielen Städten das Know-how fehlt, wie mit den Problemen, die die Pandemie und die Ukrainekrise geschaffen haben, umzugehen ist. Es gibt einige Ausnahmen wie die
Stadt Hanau, die die komplette Klaviatur des Instrumentenkastens beherrschen, aber nur deshalb, weil die Verantwortlichen sich von Dritten gut beraten lassen und auch ein offenes Ohr für die speziellen Themen haben sowie in ständigem Dialog mit allen Stakeholdern der Innenstadt stehen.

Auf dem Kongress wurde dennoch von vielen Projekten berichtet, die in den Innenstädten realisiert werden sollen. Wie beurteilen Sie die Stimmung?

Erstaunlicherweise gehen viele Kommunen davon aus, dass das, was genehmigt ist, auch gebaut wird. Hier fehlt der Durchblick hinsichtlich der Mechanismen des Marktes, die sich auch dadurch ergeben, dass Projektentwickler derzeit den Kommunen oft nicht reinen Wein einschenken, da immer noch darauf gehofft wird, dass sich alles schnell wieder umkehrt. Andererseits herrscht oft eine gewisse Ideenlosigkeit, wenn es darum geht, die Privaten, ob Eigentümer von Immobilien oder Betreiber, zu Investitionen zu bewegen. Dass man mit geringen Impulsen viel erreichen kann, zeigt beispielsweise
das City-Konjunkturprogramm der Stadt Hanau, die mit einer Förderung von nur 1,5 Millionen Euro Investitionen in der Innenstadt von insgesamt 12 Millionen Euro angeschoben hat.

Wie blicken Sie in die nahe Zukunft?

Erstaunlich ist, dass der Einfallsreichtum einiger Bürgermeister/innen in der Pandemie zugenommen hat, da sie gelernt haben, auch mit geringen Mitteln etwas auf den Weg zu bringen. Schon die Begrifflichkeiten, die auf dem Innenstadtkongress verwendet wurden – wie zum Beispiel Klappstuhlsessions, Komplizen, Stadtfans – zeugen davon.

Der selbstbewusst und offen geführte sachliche Dialog der Stadt Hanau mit der Bundesbauministerin macht deutlich, dass es von Persönlichkeiten abhängt, eine Sache voranzutreiben. Mehr Hanauer Initiative täte vielen Klein- und Mittelstädten in den kommenden Monaten gut. Und der unvoreingenommene und zielorientierte Dialog mit allen Akteuren setzt sich hoffentlich weiter durch.

Als German Council of Shopping Places schaffen wir weiterhin die Netzwerkplattform für Handelsimmobilienwirtschaft, Einzelhandel sowie Städte und Politik. Der Zuspruch macht Mut.